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Rolf M. Zinkernagel:

On Natural and Artificial Vaccinations
(Review)

Das immunologische Gedächtnis, seine Prägung und Kompetenz ist nicht statisch - es bildet und erhält sich durch wiederkehrende oder andauernde Immun-Stimulation.
Zinkernagel: "Because immunological memory is a result of a highly equilibrated coevolution of infectious agents and the vertebrate immune system, immune protection and successful vaccines cannot be regarded in splendid isolation of academic immunology."
(Weil das immunologische Gedächtnis das Resultat einer hochäqulibrierten Ko-evolution der infektiösen Agentien und des Immunsystems der Vertebraten darstellt, sollten Immunprotektion und erfolgreiche Impfungen nicht in 'splendid isolation' der akademischen Immunologie begrachtet werden.)
Annu. Rev. Immunol. 2003. 21:515-46
http://immunol.annualreview.org/...

vergleiche auch vom gleichen Autor:
Maternal Antibodies, Childhood Infections and Autoimmune Disease (N Engl J Med 2001)



Zusammenfassung:

Eine höchst interessante Übersicht über Wesen und Zustandekommen des immunologischen Gedächnissen, soweit dies aufgrund des heutigen Kenntnisstandes beschreibbar und plausibel ist.
Zunächst aber eine (etwas anstrengende) Lektion über die grundlegenden Immunmechanismen und die komplexen Prozesse, welche zur Entwicklung einer nachhaltigen immunologischen Kompetenz befähigen. Anschliessend wird ausführlich diskutiert, was die wahre Natur des immunologischen Gedächtnisses ausmache und welche Ungleichgewichte des Erreger-Wirtsverhältnisses zu einem schädigende Verlauf einer akuten Infektion einerseits und zur Auslösung von autoaggressiven Krankheiten andreseits führen könnten.
Die zentrale Frage "Is immunity (i.e., immune protection) by immunological effector T cells and neutralizing antibodies antigen independent, or is it dependent on persistence by antigen, as the evidence reviewed here strongly suggests?" kann Zinkernagel aber nicht abschliessend beantworten.
Zu den Ansprüchen, welche an Strategien und Techniken zur Kontrolle der immunologischen Balance, wie Impfkonzepte, zu stellen sind, sei hier aus den Schlussfolgerungen zitiert: "Immunity is about protection against infection within an evolutionary context. This is particularly important during the early phases of life, because the immune system of vertebrates is immature at birth ... . Successful vaccines have been those that can imitate the generation of neutralizing or opsonizing antibody responses that seem to be the only limiting factor against acutely cytopathic agents. In contrast, cell-mediated immunity against infections that persist in the host is much more difficult to imitate. This is largely because the balance between attenuation on one side, and persistence of the infection to provide constant stimulation of protective effector T cell responses on the other, so far has not been achieved with vaccines to a level of perfection similar to the coevolved balance between host and infectious agents. Similar problems are posed by classical parasites, which in their coevolution over time have come to innumerable sophisticated balances with their hosts that will be considerably more difficult to imitate, or beat, even compared to TB, leprosy, or HIV. But the aim should be - and must be - to develop strategies that aim at exactly that perfection of low-level persisting infectious agents exemplified by TB, HIV, HCV, HBV, many herpesviruses, and most classical parasites. Although this will not be easy (witness the limited effects of BCG vaccines), the development of persistent genetic vaccines, including persistent recombinant infectious agents, may bring us closer to such a goal."
 

Anmerkung:

Man könnte die Entwicklung der immunologische Kompetenz des Menschen als biologisches Korrelat seiner heranwachsenden Ich-Struktur bezeichnen. Reifung durch wiederkehrende Auseinandersetzung mit angemessenem Widerstand und Infragestellung einerseits, und krankhafte Entgleisung durch Unter- oder Überforderung bzw schlechtes Timing andererseits, scheinen in beiden Bereichen von zentraler Bedeutung. Grundlegendste Weichenstellungen geschehen im Verlaufe des ersten Lebensjahres.
Impfungen sind der Versuch, einer potentiellen Überforderung duch attenuierte Antigenreize zuvorzukommen. Zinkernagel weist darauf hin, dass dieser Versuch mit heutigen Impfstoffen nur sehr partiell und auf Dauer bisher zuwenig effizient gelingt. Das höchst komplexe Erreger- Wirtsverhältnis, das balancierte Funktionieren des Immunsystems der menschlichen Spezies hat sich über lange Zeiträume hinweg entwickelt - es mit künstlichen und fragmentarischen Mitteln optimierend weiterzuentwickeln scheint extrem anspruchsvoll und wohl auch riskant, jedenfalls wenn man Zeitspannen von mehr als ein bis zwei Generationen ins Auge fasst.

30.10.2003, Peter Klein     www.impfo.ch  

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